Latinale 14

Poesía o Muerte. Poesie und Populismus.

„Poesía o Muerte“ lautete plakativ das Motto der 14. Latinale 2020. Das Festival beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Dichtung und Populismus. „La historia me absolverá“, sagte einst der chilenische Präsident Salvador Allende, und eine ganze Liste von politischen Slogans ließe sich anschließen, die mit emblematischen Figuren der politischen Geschichte Lateinamerikas verbunden sind. Was ist aus diesen Slogans im heutigen Lateinamerika – das von neuen Umwälzungen und Krisen betroffen ist – geworden? Und wie leben sie vielleicht im Wirbel der Äußerungen im Web fort?

Latinale 2020 ging davon aus, dass Hashtags und Memes die politischen und sozialrevolutionären Slogans von einst ersetzen. Vor allem soziale Bewegungen schaffen Kürzest-Botschaften, die sich leicht verbreiten lassen. Gleichzeitig stehen sie noch im Dialog mit Graffiti und Transparenten. Aus einem längeren Statement der mexikanischen Dichterin und Aktivistin Susana Chávez Castillo aus Ciudad Juárez, die bald ermordet wurde, sollte der Ruf „Ni una menos“ im Kampf gegen die Frauenmorde werden. Der #ChileDespertó wiederum verdichtet den sozialen Aufbruch und die Proteste in Chile seit 2019.

Die 14. Latinale 2020 hat sich damit auseinandergesetzt, wie poetische Sprache auf ihre Weise kondensiert und Methoden der Chiffrierung sucht, zudem jedoch äußerst aufmerksam gegenüber politischen Mitteilungen und Realitäten ist. Es ging darum, dass politische Slogans mitunter in poetische Räume migrieren, und dort re-mixed werden. Carlos Soto Román und Milton López verfremdeten in ihrem Werk die populistische Tradition Chiles und Argentiniens. Neben hybriden Lesungen, die diese Themen konkret hörbar machten, sprach Felipe Saéz Riquelme über poetische und politische Klanginstrumenten in Gemeinschafträumen und stillen Kammern.

Eine Veranstaltung der Latinale 2020 lief unter dem Titel Canal Caribe: eine Gruppe von Dichter:innen aus Barranquilla, Kolumbien, wurde von einer Gruppe bildender Künstler:innen kommentiert; dazu wurde der erste unabhängige Verlag der Stadt vorgestellt. Er trägt den Namen Mackandal und erinnert so an den Anführer der haitianischen Maroons (von den Plantagen geflohenen Sklaven), der in Alejo Carpentiers’ Roman Das Reich von dieser Welt auftaucht und die Gabe besitzt, sich in ein Schmetterling zu verwandeln, um sich vor der drohenden Hinrichtung zu retten.

Latinale 2020 befasste sich mit antiautoritärer Performance-Kunst und Dichtung im Zeitalter von Google; die Frage nach Stille und Aufruhr in pandemischen Zeiten war ebenso ein Thema. Poesie auf der Straße, Hashtags und andere Slogans und Gesten: das Festival ging Klängen und Körpern nach, die sich für eine gerechtere Sache einsetzen, was besonders in eigens für das Festival verfassten Texten der brasilianischen Dichterin Angélica Freitas zum Ausdruck kam, die schon zum zweiten Mal auf dem Festival nach 2007 und zusammen mit ihrer kongenialen Übersetzerin und Dichterin Odile Kennel auftrat.

 

Impressionen Latinale 2020

Technisches Team: Nina Cavalcanti & Alberto Lucendo by Instituto Cervantes
Odile Kennel + Angélica Freitas by Timo Berger
Anna Llurba by Instituto Cervantes
Im Veranstaltungssaal des Instituto Cervantes, das anwesende Team by Instituto Cervantes
Von links: Odile Kennel, Angélica Freitas & Alina Neumeyer by Instituto Cervantes
von links: Odile Kennel, Angélica Freitas & Alina Neumeyer by Instituto Cervantes
Die zugeschalteten Dichter:innen: Xitlálitl Rodríguez, Carlos Soto Román, Milton López by Instituto Cervantes
Ankündigung Präsentation Poetryfilme mit Anna Vallejo
Karen Byk by Instituto Cervantes

Programm der Latinale 2020
19. – 26. November

aus Berlin, Osnabrück und Barranquilla


Aperitif I: 17., 24., 31. Oktober, 12:30-15:30 Uhr
Latinale-Übersetzungsworkshop für Lyrik
Mit Ana Llurba Milton López per Videokonferenz
Pablo-Neruda-Bibliothek
 

Aperitif II: Dienstag, 17.11.2020, 17 Uhr
Autor*innen live: Lina Meruane – Heimkehr ins Unbekannte
Buchvorstellung im Live-Gespräch mit der Autorin 
Moderation: Rike Bolte
 

Aperitif III: Mittwoch, 18.11.2020, 20 Uhr
XVIII. Hispanisch-poetische Begegnung: Derunbenannte Arkan
Offenes und virtuelles open-mic lädt alle aufstrebenden spanischsprachigen Autoren*innen in Berlin ein
Moderation: Pasajero del Muro (Alicia Morán & Karen Byk)
Livestream auf dem Instagram-Kanal von Pasajero del Muro 
 

Donnerstag, 19.11.2020, 19 Uhr
Eröffnung: Populismus und Dichtung
Auseinandersetzung mit dem heutigen Populismus 
Lesung und Gespräch mit Angélica Freitas, Odile Kennel, Carlos Soto Román und Milton López
Moderation: Alina Neumeyer
Livestream auf dem YouTube-Kanal des Instituto Cervantes Berlin 


Freitag, 20.11.2020, 19 Uhr
Latinale-Leseabend: Ganz ohne Ritual
Aktueller lateinamerikanischer Lyrik lauschen! Die deutsche Übersetzung gibts zum Mitlesen
Mit Angélica Freitas, Ana Llurba, Carlos Soto Román, Milton López, Felipe Sáez Riquelme, Karen Byk  & Xitlálitl Rodríguez Mendoza
Moderation: Andrea Garcés
Eine Veranstaltung des Instituto Cervantes in Zusammenarbeit mit dem Ibero-Amerikanischen Institut
Livestream auf dem YouTube-Kanal des Instituto Cervantes Berlin 

Samstag, 21.11.2020, 21 Uhr (CET), in Kolumbien: 15 Uhr
Latinale Canal Caribe
Wort-Kunst vom Malecón des Río Magdalena 
Mit Eliana Díaz Garrido, Luis Mallarino, Carlos Polo, Johanna Barraza Tafur, Juliana Enciso, John BetterAmaranta Caballero Prado, Sigrid Ferrer, Karem Fábregas, Luis Romero, John Rosales, Will Zambrano 
Moderation: Farides Lugo & Tawny Moreno
In Zusammenarbeit mit: Proyecto de crítica literaria del Caribe colombiano aluvión, Street Art Festival killart Barranquilla & Gabriel Acuña

Montag, 23.11.2020, 19 Uhr
Klangsituationen
Der Dichter Felipe Sáez Riquelme spricht über Klanginstrumente
und poetische Klänge in der „stillen Kammer“ und in Gemeinschaftsräumen
Moderation: Rike Bolte
In Zusammenarbeit mit: Literaturbüro Westniedersachsen
Livestream auf dem YouTube-Kanal des Instituto Cervantes Berlin 

Dienstag, 24.11.2020, 10-12 Uhr 
Nicht klassifizierbare Apparate
Poetryfilm-Gespräch mit Inti Gallardo und Rike Bolte über Lebensmodelle in ökologischen Traumbildern
Moderation: Susanne Schlünder
In Zusammenarbeit mit: Universität Osnabrück, im Rahmen des Master-Seminars „Las humanidades digitales y la historia de los conceptos. Conceptos de naturaleza en el dieciocho español y latinoamericano“
 

Dienstag, 24.11.2020, 19 Uhr
Finissage Berlin: Pablo de Rokha – Mein Herz brüllt wie ein wildes Tier
Vorstellung der zweisprachigen Anthologie mit Werken von Pablo und Winétt de Rokha
Mit Reiner Kornberger & Ignacio Reichhardt
Auf Spanisch und Deutsch
In Zusammenarbeit mit: Botschaft von Chile, Fundación de Rokha y el Goethe-Institut Santiago de Chile
Livestream auf dem YouTube-Kanal des Instituto Cervantes Berlin
 

Donnerstag, 26.11.2020, 19 Uhr
Das sind keine Rosen
Die Medienkünstlerin Ana María Vallejo (Bauhaus Universität Weimar)
zeigt Poetryfilme aus Kolumbien
In Zusammenarbeit mit: Poetryfilmfestival Thüringen und dem Literaturbüro Westniedersachsen
Moderation: Beatrice Le Coutre-Bick

Trailer der Latinale 2020 (von José Arturo Ballester)

Wir bedanken uns herzlich bei den Teilnehmenden am Workshop für die Übersetzung der Texte von Anna Llurba und Milton López.
Unser Dank gilt zudem unserem Livestream-Team Nina Cavalcanti und Alberto Lucendo.