The Last Time
The last time I saw him, he was dropping of my suitcase and me to a hotel downtown. Handing over his first born daughter from his second wife to her first husband. He hugged me like he always did at goodbyes and hellos; like he wasn't going to see me in a long time. He laughed and smiled, proud. I had squeezed all my possessions in two large suitcases and he left me in the lobby knowing I was moving to the old continent, to start my life as a respectable wife, finally. It would take five years until I would see him again, unrecognizable, his sunken frame in the forlorn bedroom downstairs.
When I remember my father now, it's with immense regret thickening my throat like homemade marmalade, making it hard for the coffee to go down. Lost in my own mistakes, I wasted his voice on my voicemails, not understanding the foreshadow, the disease that would silence him. I can remember bits, something like desperation in those messages, while I did what I was taught best by my mother, ignoring and deleting.
As a young girl back in our home country, I hardly saw him. He worked hard, often traveling abroad and meeting dignitaries from other countries, speaking in their mother tongue, dazzling with his charisma. When he came back, he was excitement and gifts, his presence permeating awe and respect. I showed off for him shyly in my Mary Janes, not knowing when I could take the stage of his audience again.
War sent us abroad. My mother made some hard decisions which landed us on the sunny beaches of California. There, my father reinvented himself, or resigned, the suburban driver of seven kids, taxing us to and fro. Being a politician is advantageous in such life changes for he eased into his minivan and soccer matches like he had never had another life of addressing the UN and being chauffeured in foreign cars.
Yet there was some remnants of his past life. Our television was constantly on news channels most of the day resembling a debriefing room. He held insomniac hours and took daily cat naps, and in the strange gaps between errand runs. Perhaps he was lonely, missing, like his daughter is now in her own foreign city with little sunlight.
The last time I saw him, I took him for granted. Self-centered and anxious to move away, to break cultural ties and sip wine openly in cafe bars. I wanted to match the distance I felt in my heart physically, by land and by sea. He was the unfortunate bystander, the civilian to my ignorant bombing. The target had always been my mother, for the pain she caused me, for our lack of connection that was incoherent to me. I did not know then he was the glue, for all the cracks of my gloomy home in the sunshine state.
So I left, and left, and left. I threw myself into experience, a lonely girl untethered by family and legally moored to an unavailable man.
I sought refuge in dark bars with old veterans, at ease with the unspoken rule of sticking to the surface of things. I passed the time with odd length contracts at prestigious universities, stalling the homecoming with late outings. That was the first half, before I re-emerged and unmoored myself from absence.
But the second half came a beat too late. Destined as I was to learn the hard way, I ate away all those years, drowned my chances of ever seeing him the same. What comes after no longer matters.
I see him thinned, from hair to bones, silenced, and old. I do not know him for he is a shell, a skinny caricature, a cruel lesson from procrastination. Now I watch him undone. Having my baby son on my side deepens the wound, knowing all that he will learn my father has lost forever.
The last time I saw him is the way I want to keep him. Healthy, meaty, full of charisma, his voice strong, his grey eyes alive. There was no regrets then, no foreshadowing of my irresponsibility. Only his affectionate hug, whispering to me that he loves me.
Das letzte Mal
Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, hat er mich und meinen Koffer vor einem Hotel in der Innenstadt abgesetzt. Um die erstgeborene Tochter seiner zweiten Frau ihrem ersten Ehemann zu übergeben. Wie bei all unseren Verabschiedungen und Begrüßungen hat er mich umarmt, als würde er mich jetzt lange nicht wiedersehen. Gelacht hat er dabei und stolz gelächelt. Mit all meinem Hab und Gut in zwei großen Koffern verstaut hat er mich in der Lobby abgestellt, zuversichtlich, mich auf dem Weg zum `Old Continent´ zu wissen, wo ich endlich ein Leben als ehrbare Ehefrau führen würde. Es sollte fünf Jahre dauern, bis ich ihn das nächste Mal gesehen habe, seine eingesunkene Gestalt im verlassenen Erdgeschossschlafzimmer kaum wiederzuerkennen.
Heute verstopft mir bei der Erinnerung an meinen Vater ein unermessliches Bedauern die Kehle, zähflüssig wie selbstgekochte Marmelade, kaum gelingt es mir, meinen Kaffee zu schlucken. Ich war so von meiner eigenen Fehlerhaftigkeit absorbiert, dass ich seine Stimme auf meiner Mailbox hatte verfallen lassen, ohne zu ahnen, dass eine Krankheit ihn verstummen lassen würde. Ich erinnere mich schemenhaft, an eine bestimmte Verzweiflung in diesen Nachrichten, aber ich tat, was meine Mutter mich bestens gelehrt hatte - ignorieren und löschen.
Als kleines Mädchen hatte ich ihn da, wo ich herkomme, fast nie zu Gesicht bekommen. Er arbeitete viel und war oft im Ausland, um ausländische Honoratioren, deren Muttersprache er beherrschte, mit seinem schillernden Charisma zu beeindrucken. Seine Rückkehr war immer geprägt von Aufregung und Geschenken, gleichzeitig verlangte seine Gegenwart nach Scheu und Respekt. Schüchtern stolzierte ich in meinen braven Spangenschuhen vor ihm auf und ab, nie konnte ich wissen, wann ich das nächste Mal seiner Aufmerksamkeit gewiss sein konnte.
Es kam der Krieg und wir verließen das Land. Ein paar maßgebliche Entscheidungen meiner Mutter hatten zur Folge, dass es uns an die sonnigen Strände von Kalifornien verschlug. Mein Vater schien sich dort neu zu erfinden, vielleicht schied er auch einfach nur aus dem bisherigen Dienst aus, jedenfalls kutschierte er jetzt als Vorstadtchauffeur seine sieben Kinder von A nach B und zurück. Politiker scheinen in lebensverändernden Situationen im Vorteil zu sein, denn er glitt in seinen Kleintransporter und die Welt der Fußballspiele als hätte es dieses andere Leben nie gegeben, in dem er Ansprachen vor der UN hielt und selber in ausländischen Limousinen herumkutschiert wurde.
Aber prägten die Spuren seiner Vergangenheit unsere Gegenwart. Fast ganztägig flimmerten wie in einer Einsatzbesprechungszentrale Nachrichtensendungen über unseren Fernseher. Und während er einerseits unter Schlaflosigkeit litt, verfiel er andererseits in den kurzen Pausen zwischen seinen täglichen Erledigungen immer wieder in Kurzschlaf. Ich vermute, er war er einsam, verloren, so wie seine Tochter heute in ihrer fremden, wenig sonnigen Stadt.
Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, habe ich das für selbstverständlich genommen. Selbstsüchtig, wie ich war, wollte ich nur weg, wollte nichts sehnlicher als meine kulturellen Fesseln abwerfen, in Cafés sitzen und in aller Öffentlichkeit Wein trinken. Ich wollte endlich die gefühlte Distanz, die ich längst im Herzen trug, auch physisch schaffen, wollte Land und Wasser zwischen uns bringen. Damit habe ich ihn zum bedauerlichen Zuschauer gemacht, zum zivilen Opfer meiner blindwütigen Bombardierung. Deren tatsächliches Ziel meine Mutter war, immer schon, für all den Schmerz, den sie mir zugefügt hatte, für die fehlende Bindung, die ich mir nie erklären konnte. Mir war damals einfach nicht klar, dass er der Klebstoff war – mein bedrückendes Zuhause im Sonnenstaat Kalifornien mit all seinen Rissen, er war derjenige, der es zusammenhielt.
Und so entfernte ich mich, weiter und weiter und weiter. Wollte so dringend neue Erfahrungen sammeln, einsames Mädchen, das ich war, losgerissen von seiner Familie, gesetzlich gebunden an einen Mann gebunde, der unerreichbar blieb. Oder war ich die Unerreichbare?
Ich flüchtete mich in dunkle Kneipen voller alter Veteranen, deren unausgesprochene Regel, nur nicht an der Oberfläche zu kratzen, mir sehr entgegenkam. Ich überbrückte die Zeit mit befristeten Aufenthalten an prestigeträchtigen Unis und zögerte das Nachhausegehen durch ausgedehntes Wegbleiben heraus. So verbrachte ich die erste Hälfte, bis zu meinem Wiederauftauchen, bis ich meiner Abwesenheit ein Ende setzte.
Leider habe ich mit der zweiten Hälfte den entscheidenden Schlag zu spät angefangen. Meinem Schicksal entsprechend musste ich auf die harte Tour lernen, dass ich diese Jahre damit verbracht hatte, jede Chance zu verspielen, ihn jemals so wiederzusehen, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Alles danach macht jetzt auch keinen Unterschied mehr.
Dünner die Haare, dünner die Knochen, verstummt und alt, so sehe ich ihn wieder. Ich erkenne diese Hülle nicht, dieses abgemagerte Zerrbild, diese grausame Lektion meiner Prokrastination. Was ich sehe, ist ein Vernichteter. Dass ich meinen neugeborenen Sohn bei mir habe, lässt mich den Schmerz umso tiefer spüren, denn ich weiß, alles, was er noch lernen wird, hat mein Vater unwiederbringlich verloren.
Ich will ihn so bewahren, wie ich ihn das letzte Mal gesehen hab. Gesund, kraftvoll, vor Charisma strotzend, die Stimme fest, die grauen Augen lebendig. In diesem Moment gab es nichts zu bedauern, keine Vorahnung meiner kommenden Verantwortungslosigkeit. Nur seine zärtliche Umarmung, während er mir zuflüstert, dass er mich liebt.